Denk’ ruhig statt Mathe an Kunst! Du darfst! Selbst oder gerade bei kariertem Papier. Auch ohne dass Dich jemand schräg anguckt. Ich hatte das nicht erwartet, aber Karos sind in der Kunst sogar vor Karos für Mathe populär geworden. Wenn Du also kariertes Papier hobbymäßig nutzt und bei Pixelart die Kästchen anmalst, erfährst Du hier 3 ½ geschichtliche Fakten, die Dich noch stolzer auf Dein Hobby machen. Du wirst sehen, dass das Zeichnen auf Karos eigentlich schon im alten Ägypten entwickelt wurde. In der Renaissance-Zeit wurde die Technik dann weiterentwickelt, oder vielleicht auch neu entdeckt. Und dann gab es auch wirklich Pixelart, oder?
Ich finde, es ist der Wahnsinn, was man alles aus der Vergangenheit für die Jetzt-Zeit mitnehmen kann. Ich zeige Dir eine AI, die Dir mit etwas Glück besser gefällt als Werke der gehypten AI.
Wir sind in Europa aber drehen die Uhr zurück in eine Zeit, zu der Papier noch aus alter Kleidung gemacht wurde. Und es handschöpfte Hadernpapier-Einzelbögen gab. Denn Holzfasern kamen erst im 19. Jahrhundert. Jedoch sind wir schon soweit, dass das Zerkleinern der Lumpen wassergetrieben maschinisiert in Papiermühlen erfolgt. Es gibt auch schon starre Schöpfsiebe aus Metalldraht und durch Papierpressen kann das Papier besser getrocknet werden. Somit war Papier schon billiger geworden. Der "moderne" Buchdruck durch Gutenberg um 1440 ist bereits erfunden und breitet sich aus. Die Massenalphabetisierung ist im Gange. Drucker wagen sich allmählich auch an neuartige Werke. So lösen Sie sich von Latein und produzieren französische Romane.
Und: sie experimentieren mit dem Druck von Ornamenten. Zunächst richten sich die Muster an alle Künstler, egal, ob diese mit Papier, Metall, Stein oder Stoff arbeiten.
Ein bekanntes Werk, das 1523 gedruckt wurde – in Augsburg übrigens, durch Johann Schönsperger den Jüngeren – spezialisiert sich auf nur eine Nische. Welche, vergessen wir lieber nach dem Lesen gleich wieder, denn sorry, es war aus meiner Sicht doch nicht wirklich für Pixelart-Künstler. Aber es war trotzdem was ganz besonderes, es gilt als die erste gedruckte Mode-Veröffentlichung: es ging um Muster auf Textilien durch Weben oder Sticken. Zu dieser Zeit wurde Kleidung immer wichtiger; und Johann Schönsperger der Jüngere veröffentlichte in den 1520er Jahren sogar mehrere Muster-Bücher, manche sogar in 5 Auflagen.
Sein 2. Buch "Ein new getruckt model Büchli (Model Book)" ist in der 5. Auflage im THE MED Museum digitalisiert erhalten und wie man an den Bildern erkennen kann, ist es eindeutig ein Buch mit Pixelart-Vorlagen – zumindest ist es hervorragend für ein- bzw. zweifarbige Pixelart-Vorlagen herzunehmen, oder?
Also ich finde, da hast Du auf jeden Fall eine AI, eine alte Inspirationsquelle für die Jetzt-Zeit.
Ich will nicht ganz verschweigen, dass zumindest bei diesem erhaltenen 2. Buch nicht auf allen Seiten Entwürfe mit schwarzen oder weißen quadratischen Feldern sind. Manche Seiten enthalten auch Bordüren oder Strich-Muster. Nicht so schlimm, trotzdem cool, oder? Wenn Du auch gerne stickst, findest Du die Vielfalt vielleicht sogar besser…
Bleiben wir jetzt mal bei den Karomustern. Was machst Du, wenn Dich die Zeitmaschine in die Renaissance zurückwirft? Worauf zeichnest Du denn dann Dein Muster? Pass’ auf, da kommt gleich was, was mir als AI noch besser gefällt.
Kreative Köpfe gab’s sicherlich schon immer. Also was, wenn Du selbst Muster entwerfen willst?
THE MET hat auch ein Büchlein, das 1596 vermutlich in Deutschland produziert wurde. Hier wurde nur das Karomuster – wie versprochen also blanko Karopapier – gedruckt. Sicher war das Büchlein nicht das allererste seiner Art, aber das erste Erhaltene und mir Bekannte. Der Käufer konnte sein Buch dann kreativ gestalten. Der Besitzer des Büchleins der MET ist nicht bekannt, aber es wurde bereits – jetzt nicht vom Stuhl fallen – für Pixelart genutzt. THE MET tituliert es als: "Manuscript album of designs for lace and embroidery", also korrekt wohl für Spitze und Stickerei.
Hier wurden sogar farbige Kästchenbilder eingemalt und manche Muster sind auch noch(?) nicht zu Ende gebracht. Schau mal, ich habe hier für Dich zwei Seiten. Und, was hältst Du von der AI?
Schau’ auch mal auf die Umrandung um die karierte Fläche der Seite. Zuerst dachte ich: mit den Unterbrechungen sieht das richtig gut aus. Aber dann habe ich genauer hingeschaut. Mehr dazu findest Du im Artikel: Was Du vom amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson über kariertes Papier lernen kannst – und warum Du heute ein Blatt auch mal wegwerfen darfst. Cooles Lineal, nenne ich das mal.
Wie aber kam die Umrandung überhaupt auf das Papier?
Kurz: NEIN.
Das Blanko-Karo-Buch wurde, genau wie die Bücher mit den Mustern von Schönsperger, mit der Holzschnitt-Technik gedruckt.
Häh, was ist Holzschnitt? Vielleicht hast Du das mit Linolschnitt auch schon mal so ähnlich gemacht, sonst stell' es Dir einfach vor wie Kartoffeldruck nur mit Holz. Den Holzschnitt-Druck gab es nachweislich dann bereits seit 100 Jahren, nämlich seit 1423.
In der Spätrenaissance wurden also fleißig Holzschnitt und Karos genutzt. Aber, wurde auch schon davor im Karo-Raster gemalt?
Bei meiner Suche nach den Ursprüngen von Karos bin ich noch mal auf die Kunst gestoßen: im Zusammenhang mit einer richtig mächtigen Technik. Damit wären vielleicht auch die Motive meiner Bilder aus der Schulzeit erkennbar geworden.
Im Jahr 1435 hat Leon Battista Alberti in seinem zweiten Buch des Traktats Della Pittura beschrieben, wie man Zeichnungen mit Hilfe von Quadratnetzen anfertigen kann. Die Technik wurde wohl bereits vorher eigentlich von Filippo Brunelleschi (1377-1446) entwickelt, ab 1435 wurde sie dann aber immer bekannter. Sie wurde z.B. auch von Leonardo da Vinci (1492) und Albrecht Dürer gepusht.
Zunächst lag der Fokus im 15. Jahrhundert wohl darauf, etwas von einer realen Ansicht auf ein zweidimensionales Blatt zu übertragen. Dafür erfolgte die reale Ansicht durch einen aufgespannten Netzrahmen und das Bild wurde so in Quadrate geteilt. Auf die Zeichenfläche war auch ein Quadratraster gezeichnet. So konnte Quadrat für Quadrat “ab”-gezeichnet werden.
Ganz ähnlich ausgeführt funktioniert die Technik auch, um Kunstwerke zu replizieren, zu verkleinern oder zu vergrößern. Diese Technik kam definitiv lange zur Anwendung, denn die dazu nötigen Quadratnetze wurden auf Gemälden des 15. bis 20. Jahrhunderts nachgewiesen. Im nächsten Kapitel erfährst Du, wo noch und zwar viel früher…
Aber erst einmal zusammengefasst: es ist zwar kein Pixelart, weil die einzelnen Quadrate sicherlich nicht nur mit einer Farbe ausgefüllt wurden. ABER: Bereits 1435 wurden also Karos auf einer Zeichenunterlage als Grundlage einer künstlerischen Zeichnung verwendet.
Leider konnte ich nicht für Dich herausfinden, wie das Karomuster auf der Zeichenunterlage erstellt wurde. Aber bestimmt von Hand vom Künstler selbst.
Und falls Du Dich das auch gefragt haben solltest: Das Fadengitter wurde ursprünglich z.B. durch Gaze-Stoff realisiert, in den mit stärkeren dunklen Fäden das Quadrat-Raster eingearbeitet war.
Nun aber die Uhr noch weiter zurückdrehen, oder besser jemanden organisieren, der den Kalender umblättert, denn da kommt noch was viel Älteres, total Beeindruckendes.
In Foren habe ich verschiedene Meinungen dazu gelesen, ob man denn in der Oberstufe lieber kariertes oder liniertes Papier nehmen solle. Der Konsens (wenig überraschend): kommt auf’s Fach und die genaue Verwendung an. Die Ägypter haben sich bei ihren Gräbern umentschieden. Von Linien zu Karos.
Nachdem ich den Abschnitt mit Albrecht Dürer bereits für Dich zusammengefasst hatte, bin ich auf den Hinweis gestoßen, dass zumindest ein Teil dieser Technik eigentlich auch viel früher schon eingesetzt wurde. Vielleicht nicht auf Papier, aber zumindest auf der Wand von Gräbern im alten Ägypten. Wow, oder? Auch wenn auf dem Grab von Wesir Akhethotep (ca. 2.400 vor Christus) ein solches Quadratnetz zu sehen ist, kommt das wahrscheinlich aus späterer Zeit.
Zur Zeit von Akhethotep wurde wohl hauptsächlich nur mit horizontalen Linien gearbeitet, das finde ich aber auch schon ziemlich cool. Das Quadratnetz wurde wohl ab der Mitte der 12. Dynastie, also vor 1.800 vor Christus standardmäßig genutzt, um Proportionen richtig zu übertragen. Echt krass, oder! Renaissance trifft’s also voll.
Grabwand oder Papier. Beides taugt also für coole Karo-Zeichnungen. Im Artikel Faszination Papier kannst Du herausfinden, warum Papyrus kein Papier ist, was Papier zusammenhält und wer Papier wann und wo erfunden hat.
Doch lass mich noch erst noch mal diesen Artikel für Dich zusammenfassen:
Schon 1.800 v.Chr. wurde also statt nunmehr auf Linien auf Karos gestaltet. Macht auch total Sinn, denn die Einteilung in Quadrate hilft immens: zum einen um 3-Dimensionales proportionsgerecht auf eine Fläche zu bekommen und zum anderen um ein bereits vorhandenes 2D-Bild möglichst genau zu reproduzieren, sei es in der gleichen Größe, verkleinert oder vergrößert. Kein Wunder also, dass Albrecht Dürer das 1538 in seine Unterweisung aufgenommen hat.
Wenn ich dies auch nicht im Text erwähnt habe, so ist das Zerlegen in Quadrate auch gang und gäbe für das Speichern von all Deinen Fotos und für alles, was Du auf Deinem Smartphone usw. siehst. Nur sind da die Karos so klein, dass man sie halt nicht sieht. Aber Du weißt schon: 12 Megapixel und so.
Weniger filigran und trotzdem höchst filigran wird es dann, wenn Karomuster im Mode-Design umgesetzt werden. Und hier gab es tatsächlich in den 1520er Jahren mehrere veröffentlichte Muster-Bücher. Bekannt sind die von Johann Schönsperger dem Jüngeren. Seitenweise schwarz-weiße Karos. Gedruckt im Holzschnitt. Das kann sich nur gelohnt haben, wenn da auch Abnehmer waren, die die Muster geliebt haben. Die Liebe zu Pixelart ist also auch schon alt ;-)
Und so richtig als Pixelart bezeichnen würde ich dann das, was die Leute gemacht haben, die Muster in ihr kariertes Notizbuch eingezeichnet haben. Und das hat mindestens einer: in ein Büchlein, das von 1596 datiert. Hier sind teilweise auch bunte Pixelartmuster.
Bestimmt sollten die Muster dann auch auf Stoffen umgesetzt werden, aber im Notizbuch ist es eindeutig Pixelart. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja auch Deine Kreationen, die Du auf Papier zeichnest, bald auf anderen Materialien. Eins steht fest: Zeichnen auf Karos hat Tradition.
Willst Du Deine Kreation gleich auf Papier bringen? Drucke Dir genau das karierte Papier, das du möchtest.
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